„Angst essen Seele auf“

Das 21. Filmfestival Türkei Deutschland steht im Zeichen einer allseits aufgeheizten Stimmung.

In der Türkei fürchtet man die verschärfende Polarisierung der Gesellschaft, den Krieg vor der Tür und den allgegenwärtigen Terror. Hinzu kommt die Demokratieangst und die Furcht, dass die in dem Land aufgenommenen 2,5 Millionen Flüchtlinge auch dort bleiben könnten. Das Land leidet schwer unter diesen Zukunftsängsten.

Schwenkt man die Kamera auf Deutschland, ist die Stimmung nicht viel anders. Auch hier leidet man, wenn gleich auf anderem Niveau. Auch hier hat man Angst. Die Angst vor dem Fremden wird in letzter Zeit so verantwortungslos geschürt als ob man Die Zeit um 30-40 Jahre zurückdrehen möchte. In die Jahre, als der politische und mediale Missbrauch der Angst vor Fremden ("Das Boot ist voll") in Städten wie Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen in Katastrophen endete. Ja, als Deutscher hatte man damals die geschürte Angst vor Fremden. Und als Migrant hatte man damals sehr viel Angst um das eigene Leben. Die 10 Morde der Neonazis, davon alleine vier in Nürnberg, konnten diese real gewordenen Alpträume von damals im kollektiven Gedächtnis nur noch verschlimmern. In den letzten Jahren dachten wir, dass wir diese Angst ruhig abbauen können und in Deutschland der Konsens einer interkulturellen Gesellschaft endlich etabliert ist. Nun sind die Politik und die Medien - vorneweg die sogenannten sozialen Medien, über die scheinbar ungestraft Hass verbreitet werden darf - auf dem besten Wege, den Pogromgeist der 90er Jahre herbeizurufen und die weltweit gefeierte (und nicht, wie publiziert wird, belächelte) Willkommenskultur der Deutschen für die Menschen in Not gründlich zu zerstören. Wird so Menschenfeindlichkeit wieder salonfähig? Oder sind wir, die Gesellschaft selbstbewusst genug, dem etwas entgegenzusetzen?

Die Angst in beiden Ländern führt zur Erosion unserer Werte, auf die wir stolz sind.

Hier darf Armin Mueller-Stahl zitiert werden, als er auf unserem Festival sagte, dass Künstler immer dort Brücken bauen müssen, wo die Politik einen Graben hinterlässt.

Die 21. Auflage des Festivals ist genau in diesem Sinne programmiert worden. Das Team hat hunderte von Filmen gesichtet, um Sie, liebes Publikum, bei einmal mehr in zehn emotionsgeladenen Festivaltagen mit Filmen und KünstlerInnen aus beiden Ländern zu begeistern. Und bei einer Podiumsdiskussion werden die geladenen Gäste über die "Zukunft der westlichen Werte in der EU" diskutieren…

Unser diesjähriger Ehrenpreisträger ist der legendäre Schauspieler Kadir İnanır, der über ganze Epochen hinweg, sein Publikum in der Türkei generationsübergreifend begeisterte, so wie das Mario Adorf in Deutschland oder Marcello Mastroianni in Italien bravourös getan haben. Ein Schauspieler, der scheinbar nie die Angst hatte, sich in seinen Filmen aber auch mit seiner persönlichen Haltung gesellschaftspolitisch zu engagieren.

Genießen Sie das 21. Filmfestival Türkei Deutschland

Adil Kaya
Festivalpräsident